Das Europäische Parlament hat sich heute abschließend mit der Versicherungsvertriebs-Richtlinie (IDD) befasst, die dann innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen ist. Die Richtlinie zielt nur auf eine Mindestharmonisierung ab. Die Regulierung wird auf jede Art des Vertriebs ausgeweitet.
Das Europäische Parlament hat auf seiner heutigen Plenarsitzung abschließend über die Versicherungsvertriebs-Richtlinie (Insurance Distribution Directive – IDD) beraten. Das Kompromisspapier war zuvor in den sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament, EU-Kommission und Europäischem Rat ausgehandelt worden.
Die vom federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Währung (Econ) mit breiter Zustimmung beschlossene Vorlage wurde vom Parlament gebilligt, wie das Büro des zuständigen Berichterstatters, des deutschen Europaabgeordneten Dr. Werner Langen (CDU), in Straßburg mitteilte. Der Europäische Rat muss der Richtlinie noch zustimmen. Danach wird die IDD im europäischen Gesetzblatt veröffentlicht – voraussichtlich im Januar oder Februar 2016.
Mindestharmonisierung
Langen hatte Anfang November seinen Abschlussbericht vorgelegt, in dem auf über 160 Seiten allein 79 Punkte aufgelistet wurden, um die einzelnen Hintergründe für die Details der Richtlinie zu erläutern. Darin heißt es unter anderem, dass diese Richtlinie, die die Versicherungsvermittler-Richtlinie aus dem Jahr 2002 (IMD) ersetzt, nur auf eine Mindestharmonisierung abzielt.
Deshalb sollten sich die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert sehen, „strengere Bestimmungen zum Zwecke des Verbraucherschutzes beizubehalten oder einzuführen“. So liegt es etwa am Gestaltungswillen der EU-Mitgliedsstaaten, ob ein Provisionsverbot erlassen wird.
Die Bundesregierung in Berlin hat sich hier wiederholt und eindeutig positioniert. Sie will zwar die Honorarberatung stärken, es aber dem Verbraucher überlassen, ob dieser sich für die provisionsbasierte Beratung oder die Honorarberatung entscheidet.
Und zielte die frühere Richtlinie allein auf die Versicherungs-Vermittlung, so wird jetzt der Geltungsbereich der IDD auf jede Art des Vertriebs von Versicherungsprodukten ausgeweitet. Erfasst werden nun auch Versicherungs-Unternehmen, die Versicherungsprodukte direkt vertreiben, sowie auch andere Marktteilnehmer, die Versicherungsprodukte als Ergänzung zum Hauptgeschäft anbieten, wie etwa Reisebüros und Autovermietungsfirmen.
IDD soll Wettbewerbschancen für alle Vermittler stärken
Berichterstatter Langen hob hervor, dass diese Richtlinie die Wettbewerbsbedingungen und Wettbewerbschancen für alle Vermittlern fördern solle, unabhängig davon, ob sie an einen Versicherer gebunden seien oder nicht. Und mit der IDD sollten auch die Unterschiede in den Arten von Vertriebskanälen berücksichtigt werden.
Damit Kunden nicht über das verkaufte Produkt in die Irre geführt werden, soll der Vertrieb von Versicherungsprodukten stets mit einem „Wunsch- und Bedürfnistest anhand der vom Kunden stammenden Angaben“ einhergehen. Auch die Vergütungspolitik sollte die Kundeninteressen berücksichtigen. „Eine auf Verkaufsziele gestützte Vergütung sollte keinen Anreiz dafür bieten, dem Kunden ein bestimmtes Produkt zu empfehlen“, stellte der Berichterstatter weiter fest.
Im Text der Richtlinie wird ausdrücklich festgehalten, dass die Mitgliedsstaaten „zusätzlich das Anbieten oder Annehmen von Gebühren, Provisionen oder nichtmonetären Vorteilen einer dritten Partei für die Erbringung einer Versicherungs-Beratungsleistung verbieten oder weiter einschränken“ können.
Die IDD soll fünf Jahre nach Inkrafttreten evaluiert und die in den Mitgliedstaaten gewonnenen Erfahrungen ausgewertet werden. Die alte Versicherungsvermittler-Richtlinie soll 24 Monate nach Inkrafttreten der IDD aufgehoben werden.
Europaweit einheitliche Basis für fairen Versicherungsvertrieb
Axel Wehling, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV), kommentierte die Verabschiedung der Richtlinie gegenüber dem VersicherungsJournal wie folgt:
„Die IDD schafft eine stabile und europaweit einheitliche Basis für einen fairen Versicherungsvertrieb. Erhöhte Transparenz-Anforderungen und neue Regeln für die Weiterbildung der Versicherungsvermittler werden zu steigender Beratungsqualität im Interesse der Kunden beitragen. Damit bekommt die europäische Versicherungswirtschaft ein modernes und zukunftsfähiges Regelwerk.“
Verbraucherschutz wird gestärkt – es hätte aber mehr sein können
Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber, der dem Wirtschafts- und Währungsausschuss angehört, zeigte sich mit den Ergebnissen nicht ganz zufrieden. Gegenüber dem VersicherungsJournal erklärte Ferber, die erste Versicherungsvermittler-Richtlinie sei in den Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich umgesetzt worden, was zu sehr unterschiedlichen Standards im Bereich Verbraucherschutz geführt habe.
„Eine Überarbeitung der Richtlinie, die dieses Problem angeht, aber gleichzeitig die bestehenden Vertriebsmodelle bewahrt, war deshalb notwendig.“ Allerdings sei es nicht gelungen, die Verbraucherschutz-Standards für Versicherungsprodukte an das hohe Niveau von Finanzprodukten anzugleichen. Dies sei am Widerstand der Mitgliedstaaten und der EU-Kommission gescheitert, erklärte Ferber.
Ferbers Ausschusskollege, der grüne Europapolitiker Sven Giegold, erklärte, mit der jetzt getroffenen Entscheidung würden die Verbraucherrechte beim Kauf von Versicherungen gestärkt. „Der Etikettenschwindel bei Versicherungsprodukten wird damit eingedämmt.“ Der Schutz von Versicherungskunden sei ein Fortschritt gegenüber der bisherigen EU-Richtlinie und gehe deutlich über den ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission hinaus.
„Das Ziel gleicher Rahmenbedingungen für Produkte, die direkt miteinander im Wettbewerb stehen, wurde jedoch verfehlt. So dürfen Vermittler von Kapitallebens-Versicherungen weiterhin Provisionen kassieren, ohne die Beträge den Kunden offenlegen zu müssen.“ Beim Vertrieb von Investmentfonds müssten die Vermittler dagegen Transparenz herstellen, erklärte Giegold.
Manfred Brüss